Ich spiele schon länger mit dem Gedanken, etwas zu Pegida zu schreiben. Mittlerweile wurde schon soviel geschrieben. Überall gemutmaßt über Gründe und Wirkungen und Reaktionen, so dass fast alles gesagt scheint. Trotzdem muss es raus.

Pegida macht mir Angst.

Auf verschiedenen Ebenen.

Ich brauche eine offene Gesellschaft. Ich muss in einem Land leben, in dem Menschen mich sehen, nicht mein Aussehen, meine Hautfarbe, meine vermeintlich fremde Herkunft. Sondern mich, wie ich bin. Pediga trägt dazu nicht bei. Ich bin froh im Ruhrgebiet zu leben. Das Stadtbild hier ist wohl für die meisten Pegida-Anhänger das reinste Grausen. Ich  mag das. Das ist für mich Deutschland. Das Deutschland in dem ich leben will. Das Deutschland, dass ich mitformen will. Ein Grund dafür, dass ich mich glücklich schätze, zufällig hier geboren zu sein.

Ich bin rational. Jedenfalls meistens. Und das finde ich gut. Rationalität, Argumente, Logik. Wenn ich mir die O-Töne der Pegida-Teilnehmer höre, höre ich Irrationalität. Zahlen und Fakten wollen nicht gehört werden, werden einfach weggewischt. Es werden höchst subjektive Einschätzungen vorgebracht, es wird mit negativen Einzelerlebnissen argumentiert und wenig bis gar nicht differenziert. Das irritiert mich.

Pediga will offenbar auch garnicht differenzieren. Der offensichtliche Gebrauch von Dualismen wie ehrlich – unehrlich oder Wahrheit – Lüge überrascht mich nicht, aber mich erschreckt doch, wieviel Menschen sich offenbar von einfachen Welterklärungsmustern angesprochen und vertreten fühlen.

In den O-Tönen meinte eine Frau, dass ja wahrscheinlich bald Weihnachten verboten sein wird. Diese Angst vor der Islamisierung scheint echt. Kann ich einfach so vielen Menschen einen Wahrnehmungsfehler unterstellen? Wo muss man diese Leute abholen? Glauben die das wirklich? Ich bin ratlos.

Mich irritiert, dass die Bewegung demokratisch Mittel wie Versammlungen nutzt, aber andere wie die öffentliche Debatte verweigert. Ach, und die Punkte und Forderungen von Pegida…da irritiert mich so einiges. Die Forderungen wurden mittlerweile ja auch nicht nur einmal geprüft und werden bei wikipedia im pediga-Artikel nett zusammengefasst. Das ist lesenswert. Auch die fehlende Deckungsgleichheit von Forderungspapier und den Bannern und Sprüchen ist eklatant.

Trotzdem weigere ich mich, die Pediga Anhänger als blöde Idioten oder hinterwäldlerische Dumpfbacken zu sehen oder zu bezeichnen. Von einer Gruppierung zu verlangen, differenziert zu betrachten und verschiedene Beweggründe wahrzunehmen, Dynamiken innerhalb einer Bewegung/Religion zu sehen und sich mit dem „Fremden“ auseinanderzusetzen, aber selbst nicht so zu handeln ist heuchlerisch. Damit macht man es sich zu einfach.

Ich weiß, dass es in einer demokratischen Gemeinschaft Meinungen gibt und geben muss, die der eigenen nicht unbedingt entsprechen. Dass es ein rechtskonservatives Spektrum gibt, das in irgendeiner Form repräsentiert wird. Dass Pluralität wohl auch Pegida bedeutet.

Damit kann ich umgehen. Trotzdem wünsche ich mir ein klares Nein zu Pediga. Ein hörbares, sichtbares Nein von allen, die die Welt nicht so sehen wie Pediga. Ein Nein in Gesprächen bei der Arbeit, im Freundeskreis, auf social-media-Kanälen. Überall.

Davon geht Pediga nicht weg, aber es würde mich beruhigen. Ganz ungemein.

EllaMara

EllaMara

8 Comments

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    Steffi

    7. Januar 2015

    Hallo liebe EllaMara,
    ich kann dich so gut verstehen, du sprichst mir aus der Seele, nur das diese Menschen, dir aufgrund deiner Hautfarbe dann tatsächlich zum Teil feindlich gegenüber stehen. Ich finde es auch unglaublich erschreckend, was für Menschenmaßen dorthin gehen. Dann fragt man sich, haben die denn alle nichts im Kopf oder ist die Angst so groß, was ist der Auslöser. Und wenn man dann diese Gedanken weiter spinnt dann fragt man sich, haben die denn alle unsere Vergangenheit vergessen. Den Holocaust verdrängt. Ich weiß das geht vielleicht zu weit, aber irgendwie ist es schon erschreckend, wieviele Menschen sich dort versammeln. Gestern sagte ein Mann im Interview, er würde sich von den Politikern nicht ernst genommen fühlen. Ja toll, aber dann geht man doch nicht zu Pegida…. ich hoffe, dass dieser Spuck bald ein Ende hat, glaube aber auch, dass das zu kurz gedacht ist! Alles Liebe und Kopf hoch es gibt viel viel viel mehr Menschen die genau die gleichen Gedanken habe wie wir!
    Steffi

    • EllaMara
      Antworten

      EllaMara

      7. Januar 2015

      Vielen Dank Steffi. Ich denke auch, dass viele viele Menschen anders denken. Aber die Geschichte hat auch gezeigt, dass das nichts hilft wenn sich keiner erhebt und sich einsetzt.
      Ich glaube nicht, dass die pegida Teilnehmer gewaltbereit sind. Aber wenn sich die Stimmung ändert zeigen sich die Gewaltbereiten. Weil sie denken sie vertreten die Stimme der Mehrheit, oder weil sie sich unangreifbar fühlen.
      Auch deshalb also vielen Dank für deine Worte.

      Lg Ella

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    Janina

    7. Januar 2015

    Vielen Dank für den gut geschriebenen Text. Von mir liest Du ein klares Nein zu Pegida. Und das nicht nur hier, sondern bei jeder Gelegenheit.

    Viele Grüße
    Janina

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    Chemnitzer

    7. Januar 2015

    Hallo EllaMara,

    haben Sie das Positionspapier von Pegida gelesen?
    Welchen der 19 Punkte stimmen Sie nicht zu u. warum?

    Gruß aus Chemnitz

    PS: Da Chemnitz so gar nicht einer typischen Ruhrpott-Stadt entspricht, wäre Ihnen folglich das hiesige Stadtbild „das reinste Grausen“?

    • EllaMara
      Antworten

      EllaMara

      7. Januar 2015

      Wie ich schon schrieb geht es mir nicht so sehr um die Punkte, sondern um die Aussagen der Beteiligten. Um die ungeschnittenen O-Töne und die Aussagen der Sprecher.
      Viele der Forderungen werden bereits erfüllt, trotzdem gelten Politiker als Verräter. Mich irritiert diese Art von Umgang.
      Grundsätzlich lehne ich im besonderen die Punkte 9. und 17. ab. Zudem sind die Punkte so formuliert, dass sie sehr großen Interpretations-Spielraum lassen. Was genau zum Beispiel eine „Null-Toleranz-Politik“ sein soll, wie diese sich äußert wird im Forderungs-Papier nicht erläutert.
      Das Papier wurde, soweit mir bekannt ist, bei keiner Kundgebung verlesen. Die Bewegung erschöft sich nicht in diesen 19. Punkten.

      Ich war noch nie in Chemnitz, kann also zum Stadtbild ziemlich wenig sagen. Das reinste Grausen wäre es vielleicht nicht, aber dass sie das Annehmen zeigt meiner Meinung nach einen Logik-Fehler.
      In Dresen oder Umgebung würde ich im Moment tatsächlich nicht unbedingt gerne wohnen wollen.

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    Kati aus ER

    8. Januar 2015

    liebe Ella Mara,
    Herzlichen Dank für Deine klaren Worte. Ich kann Dir nur zustimmen, alle Pegida- Anhänger über einen Kamm zu scheren und Sie als Deppen ab zu stempeln hilft nicht und stellt uns fast auf die selbe Ebene. Tatsächlich wäre es wichtig die Ängste dieser Mensch ernst zu nehmen und ihnen zu zeigen ob und in wie weit diese real sind. Da versagt leider unsere Politik und die Verantwortlichen auf der ganzen Linie. Daher von meiner Seite ein klares NEIN zu Pegida! Gerne würde ich Deinen Beitrag auf meiner Facebook Seite teilen, da ich keinen eigenen Blog habe. Alles Gute Dir Katja

    • EllaMara
      Antworten

      EllaMara

      8. Januar 2015

      Danke für deine Worte. Aber ich finde das Narrativ der scheiternden Politiker zu bedienen auch nicht stimmig. Ich sehe in der Politik sehr unterschiedliche Reaktionen.
      Du kannst diesen Eintrag natürlich gerne teilen.
      Lg Ella

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